OTC: Ein freier Markt entsteht

08.10.2004, 18 Uhr - eRelation AG


(press1: Health Relations) Kommentar Gottfried Unterweger, Unterweger & Partner, Hamburg:
Die Branche der OTC/Anbieter steht vor einer Lernphase, einer kurzen, aber schmerzhaften, Sie muss mit etwas umgehen lernen, von dem sie bisher keine Ahnung hatte: Der Vertriebs- und der Preispolitik. Oder der Kunst, den richtigen Preis im richtigen Umfeld für eine gewisse Markenpositionierung zu definieren und zu kommunizieren.

Mit dem Fall der Preisbindung in der Apotheke betreten Hunderte von OTC-Anbietern, die bisher zum Großteil von der Erstat-tung durch die Gesetzliche Krankenkasse lebten, Neuland. Da-mit stehen sie auch am Abgrund: 400 von 900 OTC-Firmen in Deutschland leben laut Marktforschungsagentur IMS zum Gros von der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenkasse (GKV).
Es heißt: Resignieren, sprich auf 60 oder gar 80 Prozent des bisherigen GKV-Umsatzes zu verzichten. Oder zu investieren: Dann müssen aus bisher vom Arzt ver-schriebenen Produkten vom Apotheker empfohlene oder vom Konsumenten aktiv nachgefragte Marken werden, die sich über ihren Charakter, ihre Einzigartigkeit und ihren USP einen vorde-ren Platz im Mind-Set des Apothekers und des Verbrauchers erkämpfen müssen.

Dazu gehört - neben dem ausreichenden Mediabudget - in ers-ter Linie die Wahl des Vertriebskanals, die Argumentation eines Preisniveaus und der Aufbau einer Markenstrategie. Doch mit all diesen Aufgaben hatte die OTC-Branche bisher recht wenig zu schaffen. Natürlich: Vom Produkt verstehen die Manager in Pharma-Firmen per se viel, denn von ihrer Ausbildung her sind sie Ärzte, Biologen oder Chemiker. Daher war ihnen die bisheri-ge Vertriebsstrategie vom Arzt zum Konsumenten auch so fremd nicht. Doch schon vom Pricing brauchten sie nicht viel zu verstehen, weil die Arzneimittelpreisverordnung (AMPV) den Preis diktierte und das Preisniveau im Freiverkauf sich der ge-setzlichen Vorgabe anlehnte. Und auch in der Wahl des Ver-triebskanals war die Wahlfreiheit gleich Null: Es gab eben nur die klassische Offizin-Apotheke und von denen satt: mehr als 23.000 Stück an der Zahl.

Doch nun wird dieses ganze System, das für rund 40 Prozent der 900 in Deutschland anbietenden OTC/Firmen so schön funktionierte, total liberalisiert. Alles wird auf den Kopf gestellt. Jeder Apotheker kann seinen eigenen Preis definieren, und zu-dem zu einem anderen Preis über Internet anbieten. Dazu kommen Dutzende von Internetversendern, die aus dem In- und Ausland der klassischen Offizin-Apotheke den - vornehmlich über den Preis ausgetragenen - Kampf ansagen. Auf Seiten der Apothekerschaft wird ein Sterben einsetzen, dass laut Insidern ein Drittel, vielleicht auch die Hälfte treffen wird. Wie reagiert nun die OTC-Anbieterschaft? Antwort: Bisher überhaupt nicht.

Dabei übersieht die Pharma-Industrie eine kleine, aber wichtige Dualität. Die erste: Der Vertriebskanal ist Bestandteil einer Preisstrategie einer Marke. Die zweite: In einem freien Markt überleben nur die Marken mit einer ausgefeilten Markenstrate-gie und einer überzeugenden Kommunikationslinie mit hoher Relevanz für die Zielgruppe.
In anderen Branchen ist das gelernt, wenn auch nicht so lange, wie man gerne glauben machen möchte. Die Smart-Kampagne ist dafür ein typisches Beispiel. Smart hatte so lange, wie die erste Kampagne lief, trotz einer sehr neuartigen Vertriebsstrate-gie, keine Chancen, im Markt zu reüssieren. Sprich: Es gab ein-fach keinen kommunizierten Grund, ein neues Billigauto zu ei-nem ziemlich teuren Preis zu kaufen. Die zweite Kampagne machte dann aus dem gleichen Auto - an dem selbst nichts ver-ändert wurde und ebenso nicht am Vertrieb mit den auffälligen Smart-Türmen in der Nähe von Publikumsmagneten - etwas hippes: Die Verkaufszahlen explodierten. Das war ausschließ-lich eine kommunikative Leistung. Doch das gab es im Automo-bilmarkt auch schon früher - zum Beispiel beim Erfolgs-Case von Fiat-Panda: Nur aufgrund einer intelligenten Kommunikati-onslinie war es damals das Größte, einen Panda zu besitzen - auch oder vielleicht, weil es eine absolute Klapperkiste war. Al-so auch hier wieder ein purer Erfolg über Kommunikation, die mehr wert ist als nur nice-to-have für die Werbeabteilung, son-dern ein Invest in Marke und damit den Unternehmenserfolg. Ganz aktuell: Skoda wird derzeit zu einem begehrenswerten Auto, das in seiner Kommunikation selbstbewusst gar Mercedes angeht.

Die Pharma-Industrie investiert Multimillionen in Forschung und Entwicklung - weit mehr als das Automobilhersteller tun. Und dennoch legt die Pharma-Industrie - ob nun aus der Ethik oder dem OTC - viel weniger Wert auf den Invest in Marke und Kommunikation; ein Marketinganteil, der in der Automobilbran-che mehr als zehn Prozent des Umsatzes ausmacht. In der Pharma liegt dieser Anteil bei ein bis drei Prozent. Das liegt na-türlich an der Historie und der Tatsache, dass erst jetzt mit dem derzeitigen Gesundheitsmodernisierungsgestetz (GMG) aus der Pharma ein richtiger Markt wird, der auch als solcher funktio-niert: Der Markt bestimmt das Angebot und nicht umgekehrt.

Mit dieser Umorientierung muss die Pharma erst einmal fertig werden: Im Kopf der Manager muss ein Umdenkprozess begin-nen, der allerdings nicht mehr allzu lange dauern darf: Die Zeit läuft.


Rückfragen bitte unter:
eRelation AG, Verantwortlich: Peter Stegmaier
Telefon Zentrale: 0228/9692270
Fax Zentrale: 0228/9692299
Kölnstr. 119
53111 Bonn
E-Mail: mailto:stegmaier@erelation.org
Logo

Pressekontakt:

eRelation AG
Peter Stegmaier
Kölnstr. 119
53111 Bonn
Tel: 0228/9692270
Fax: 0228/9692299
stegmaier@erelation.org
http://www.erelation.org

Unter­nehmens­profil anzeigen
Weitere Meldungen des Unternehmens: