Deutscher Schmerztag: Experten fordern rascheren Einsatz von starken Opioiden in Palliativmedizin

11.03.2005, 17 Uhr - Dorothea Küsters Life Science Communications


Neu Studie mit retardiertem Hydromorphon zeigt effektive Schmerzreduktion und Steigerung der Lebensqualität / Integrierte Versorgung in Deutschland noch Wunschdenken
Frankfurt, 11. März 2005 (dk/press1 Health Relations) - "Auch palliativmedizinisch versorgte Patienten haben ein Recht auf eine effektive Schmerztherapie", sagt Dr. Gerhard Müller-Schwefe in einem vom Limburger Schmerzspezialisten Mundipharma unterstützten Plenum des diesjährigen Deutschen Schmerztages in Frankfurt. Der Tagungspräsident betont, dass die Step-by-Step-Anwendung des WHO-Stufenschemas die Patienten unnötig belaste. Stattdessen solle sofort mit der Oraltherapie eines starken Opioids begonnen werden. Der Schmerzexperte zeigt anhand einer Studie, dass retardiertes Hydromorphon die Schmerzen um mehr als 60 Prozent senkt und die Lebensqualität erheblich verbessert. Allerdings sind laut Dr. Thomas Nolte die Patienten nach wie vor hoffnungslos unterversorgt. "Zwar macht es das Gesundheitsmodernisierungsgesetz den Krankenkassen und Leistungserbringern möglich, integrierte Versorgungskonzepte zu schaffen." Aber bisher konzentrieren sich die abgeschlossenen Verträge zu 80 Prozent auf Leistungen, die Ersatzstücke aus Kunststoff oder Metall für geschädigte, innere Körperteile (Endoprothesen) betreffen. Der Wunsch der Patienten, die letzten Lebenstage im Kreis der Familie zu verbringen, könne so nicht erfüllt werden. Professor Stein Husebø betont, wie wichtig es für die Patienten und Angehörigen ist, sich gemeinsam rechtzeitig auf den Tod vorzubereiten. "Stattdessen wird das Sterben in unserer Gesellschaft in Krankenhäusern' versteckt'."

Kurzfassung (33 Zeilen à 50 Anschläge)

Palliativpatienten fürchten nichts mehr, als mit ihren starken Schmerzen alleingelassen zu werden. "Bei der Schmerztherapie sollte berücksichtigt werden, dass es sich meist um ältere Patienten handelt, die an mehreren Krankheiten leiden und gleichzeitig eine Vielzahl an Medikamenten einnehmen", sagt Müller-Schwefe. Retardiertes Hydromorphon eigne sich für diese Patientengruppe besonders gut. Das Stufe III-Opioid besitzt eine sehr geringe Plasmaeiweißbindung. So findet nur eine geringe Konkurrenz um Bindungsplätze an ein bestimmtes Transporteiweiß im Blut statt. Ein gegenseitiges Beeinflussen der Medikamente in Wirkstärke und -dauer ist minimal. Mehr als die Hälfte aller Medikamente werden über eine Untereinheit des Enzymsystems Cytochrom P450 (CYP450) abgebaut. Nimmt ein Patient mehrere Medikamente gleichzeitig, erhöht sich das Risiko von Wechselwirkungen. Retardiertes Hydromorphon wird über ein anderes Enzymsystem abgebaut, daher der Begriff CYP-Neutralität. Beim Abbau von diesem Opioid entstehen zudem keine aktiven Metabolite. Diese stoffwechselwirksamen Substanzen können sich bei eingeschränkter Funktion von Niere oder Leber im Körper anhäufen und zu Komplikationen führen. Somit ist der Einsatz von diesem starken Schmerzmittel auch bei Patienten mit eingeschränkter Organfunktion unproblematisch.

Studien zeigen: Starke Schmerzen fordern starke Opioide
"Bei starken Schmerzen ist ein sofortiger WHO-Stufe III-Einsatz angebracht", erklärt der Schmerzexperte. Das zeige eine Studie mit 670 Patienten, die neu auf retardiertes Hydromorphon eingestellt wurden. 87,3 Prozent waren mit Stufe I- bzw. II-Präparaten und Begleitmedikation (Koanalgetika z.B. zur Muskelentspannung, gegen Fallsucht oder bei psychischen Erkrankungen) vorbehandelt, 12,7 Prozent erhielten vorab keine Schmerztherapie. Die Schmerzintensität wurde mittels Schmerzskala dokumentiert. "Es wurde eine Schmerzreduktion von 65 Prozent erreicht", stellt Müller-Schwefe dar, "die Schmerzintensität nahm signifikant von NRS 7,1 auf 2,5 ab." Gleichzeitig verbesserte sich die Lebensqualität um 54,7 Prozent, da Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Verstopfung (Obstipation) deutlich seltener waren als unter der Vormedikation.

In der Marinangeli-Studie wurde sogar festgestellt, dass bei Patienten mit Krebs im Endstadium eine sofortige Therapie mit Stufe III-Opioiden bereits bei schwachen und mittelstarken Schmerzen angebracht ist. Die Schmerzkontrolle war signifikant besser als bei den Patienten, die nach dem WHO-Stufenschema behandelt wurden. Zudem waren seltener Therapieumstellungen nötig, die Patienten waren zufriedener und beurteilten ihren Allgemeinzustand positiver.

"Das Wissen für eine optimale Versorgung für Palliativpatienten existiert also", kommentiert Nolte die Ausführungen seines Kollegen, "trotzdem wird es in Deutschland nach wie vor nicht umgesetzt". Obwohl Krankenkassen mittlerweile verpflichtet sind, mittels integrierter Versorgungskonzepte neue Strukturen der Kooperation mit den Leistungsbringern zu entwickeln. Dass es auch anders geht, zeigt das integrierte Versorgungskonzept von palliativmedizinisch geschulten Ärzten, Pflegekräften, Psychologen und Psychoonkologen des Qualitätszirkels Palliativmedizin in Wiesbaden. Dazu Nolte: "Für jeden Patienten erstellen wir einen Therapie- und Versorgungsplan, der auf die besonderen Bedürfnisse dieses Schwerstkranken nach den Kriterien einer qualifizierten Hospiz- und Palliativversorgung abgestimmt ist."

Palliativmedizin = Schmerzfreiheit, Autonomie und Würde
"Die Palliativmedizin hat das Ziel, umfassend Leiden zu lindern, damit Patienten mit einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung eine bestmögliche Lebensqualität erreichen können", sagt Husebø, "trotz begrenzter Lebenserwartung und Lebensperspektive." Dem überwiegend geäußerten Wunsch, in gewohnter, häuslicher Umgebung zu sterben, nicht alleingelassen zu werden und nicht unter Schmerzen zu leiden (Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin", 14. Mai 2002 ) könne so entsprochen werden. Sind die Schwerkranken nicht hilflos ihren Schmerzen ausgeliefert, können sie sich mit ihrer Familie über die Erkrankung und den nahenden Tod auseinandersetzen, letzte wichtige Dinge regeln. Sie erhalten ihre Autonomie und Würde zurück.

Langfassung (118 Zeilen à 50 Anschläge)
Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten
Quelle:Plenum "Schmerzfreiheit, Autonomie und Würde am Lebensende", 11. März 2005, 16. Deutscher interdisziplinärer Schmerzkongress (Der Deutsche Schmerztag), 10. bis 12. März 2005, Congress Center Messe Frankfurt, Frankfurt am Main

Veranstalter:Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS), Oberursel
Unterstützt von Mundipharma

Referenten:Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS), Leiter Schmerzzentrum Göppingen, Göppingen / Dr. med. Thomas Nolte, Vizepräsident DGS, Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden, Regionales Schmerzzentrum DGS, Wiesbaden / Prof. Dr. med. Stein Husebø, Arzt und Projektleiter am Bergen Røde Kors Pflegeheim, Norwegen

Herausgeber:Mundipharma GmbH, Mundipharmastraße 2,
65549 Limburg a.d. Lahn
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