Das negative Stimmgewicht und die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Bundestagswahl

27.01.2014, 13 Uhr - Ingmar Borchers


(press1) - 27. Januar 2014 - Der Normenkritiker Ingmar Borchers hat Verfassungsbeschwerde und einen Wahlprüfungseinspruch gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Grundmandatsklausel und das negative Stimmgewicht bei Bundestagswahlen eingelegt.

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel ermöglicht, dass eine Partei mehr Sitze erzielt, wenn lediglich auf eine konkurrierende Partei mehr Stimmen entfallen. Die gewählte Partei selbst profitiert dabei nicht von ihren Stimmen.

Dieser widersinnige Effekt trat insbesondere bei der Bundestagswahl 2013 auf, als die AfD und die FDP die Fünf-Prozent-Hürde mit einem Stimmanteil von 4,7% bzw. 4,8% knapp verfehlten. Wären die rund 2 Millionen AfD-Wähler der Bundestagswahl 2013 ferngeblieben, so wären für das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde rund 100.000 Stimmen weniger erforderlich gewesen und die FDP hätte die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen.

Das bedeutet: Die Zweitstimmen für die AfD hatten bei der Bundestagswahl 2013 den von den AfD-Wählern unbeabsichtigten Erfolg, dass die FDP die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte. Dadurch verlor die FDP mehr als 30 Mandate. Die Mandate kamen CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne zugute. Diese Parteien profitierten erwartungswidrig und widersinniger Weise von den Zweitstimmen für die AfD. Beispielsweise erhielt die SPD nur dank der Stimmen für die AfD zehn zusätzliche Mandate.

Die Zweitstimmen für die AfD haben der AfD zwar keine Mandate gebracht, aber sie haben entgegen dem Willen der AfD-Wähler den bisherigen Oppositionsparteien SPD, Linke und Grünen so viele zusätzliche Sitze beschert, dass diese drei Parteien eine Mehrheit im Parlament haben. Ohne die Stimmen der AfD hätten die bisherigen Regierungsparteien Union und FDP eine Mehrheit im Parlament. Die AfD-Stimmen haben die Mehrheitsverhältnisse im Parlament auf den Kopf gestellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat solche widersinnigen Effekte im Juli 2012 für verfassungswidrig erklärt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts darf die Verteilung der Mandate auf die Parteien entsprechend dem Verhältnis der Summen der Wählerstimmen im Grundsatz nicht dazu führen, dass die Sitzzahl einer Partei erwartungswidrig mit der auf diese oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl korreliert. Ein Sitzzuteilungsverfahren, das ermöglicht, dass ein Zuwachs an Stimmen zu Mandatsverlusten führt oder dass für den Wahlvorschlag einer Partei insgesamt mehr Mandate erzielt werden, wenn auf einen konkurrierenden Vorschlag mehr Stimmen entfallen, widerspricht nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl.

Ferner ermöglicht die Grundmandatsklausel den verfassungswidrigen Effekt des negativen Stimmgewichts. Gemäß Grundmandatsklausel ist das Erringen dreier Direktmandate eine alternative Überwindungsmöglichkeit der Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. Die Grundmandatsklausel wurde das letzte Mal bei der Bundestagswahl 1994 angewendet. Die PDS errang damals nur 4,39 % der Zweitstimmen, aber sie errang vier Direktmandate in vier Berliner Wahlkreisen. Damit errang die PDS 30 Mandate: die vier Direktmandate und wegen der Grundmandatsklausel 26 Listenmandate.

CDU-Erststimmen-Wähler hätten damals durch Wählen der SPD statt der CDU erreichen können, dass die SPD statt der PDS die Direktmandate erhält. Dann hätte die PDS auch ihre Listenmandate an die anderen Parteien, u.a. die CDU, abgeben müssen. Weniger Stimmen für die CDU bewirken, dass die CDU mehrere zusätzliche Mandate erhält. Umgekehrt bedeutet dies auch: die tatsächliche Stimmabgabe für die CDU statt für die SPD hatte zur Folge, dass die CDU weniger Mandate erhält.

Der Beschwerdeführer Ingmar Borchers erläutert auf seiner Internetseite http://www.ingmar-borchers.info die Verfassungsbeschwerde. Die Erfolgsaussichten sind sehr gut. Ein Wahlsystem muss nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich frei von willkürlichen und widersinnigen Effekten sein. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Sperrklausel und die Grundmandatsklausel bei Bundestagswahlen für nichtig erklärt. Darüber hinaus könnte das Bundesverfassungsgericht die Bundestagswahl 2013 für ungültig erklären, wenn es dem Bestandsschutz der Volksvertretung keinen Vorrang gegenüber der Korrektur des Wahlfehlers einräumt.


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